Glove80 Tastatur Erfahrungsbericht
recommendationDu überlegst, ob Du Dir die Glove80 Tastatur zulegen solltest? Dann bist du hier genau richtig.
Ich habe diese Tastatur nun 100 Tage getestet und werde sie auch weiterhin nutzen.
Das Foto zeigt meine Glove80 mit angepasster Tastenanordnung und ausnahmsweise eingeschalteter RGB-Beleuchtung.
Ergonomie
Steigen wir direkt mit dem Hauptgrund für die Anschaffung ein.
Ich hatte viele Jahre die Cooler Master SK630 verwendet. Eine klassische langgezogene Tastatur mit geraden Reihen. Irgendwann fingen aber leichte Schulterschmerzen an. Ich vermutete es lag an der unnatürlichen Haltung beim Tippen. Abhilfe suchte ich zuerst mit der Logitech ERGO K860. Sie hat einen dezenten Split und eine leichte Erhöhung in der Mitte. Allerdings beides nicht verstellbar, sodass die starre Position passen muss. Ich merkte tatsächlich leichte Verbesserungen in der Schulter, tippte auf der nicht-mechanischen Tastatur aber hauptsächlich mit den Fingernägeln und fand das unangenehm.
Auf der Suche nach einer mechanischen Ergo-Tastatur hatte ich lange mit der Kinesis Advantage360 geliebäugelt. Ca. ein halbes Jahr verfolgte ich die Preise für Deutschland, aber sie blieben mit jenseits der 600€ auf dem Mond. Ähnliche Tastaturen gibt es nicht viele. So fiel die nächste Wahl schließlich auf die Glove80, genauer gesagt auf die Glove80 Revision 2 mit Travel Case, die aktuell bei immer noch happig wirkenden 357,95€ liegt (ich hatte Anfang des Jahres sogar noch etwas mehr bezahlt, inklusive einem Satz deutscher Key-Caps für ä, ö, ü, ß etc.).
Keyboard Layout
Ich überlegte lange, ob ich all-in gehen und mir Dvorak oder einen anderen Exoten als Tastaturbelegung draufpacken soll. Durch die neuen Daumentasten (Shift, Strg, Leertaste etc.) musste ich mich eh umgewöhnen (was übrigens länger als erwartet dauerte, dazu später mehr). Ich fürchtete aber, die Eingabe an einer Standardtastatur komplett zu verlernen (verdammte versunkene Kosten!) und dann an den Tastaturen anderer Geräte gar nicht mehr klar zu kommen. Also beließ ich es beim deutschen Layout mit leichten Modifikationen.
Hier kommt eine große Stärke der Glove80 zum Tragen: die Möglichkeiten zur Anpassung der Tastenanordnung.
Ich bekam die Tastatur mit englischem Layout geliefert, musste also einige Keycaps austauschen oder versetzen. Das gestaltet sich nicht ganz so komfortabel. Zum Erreichen der mittleren Tasten müssen die vorherigen Tasten in der Reihe oder Spalte herausgenommen werden. Da man das in der Regel nur selten macht, verbuche ich diesen 5-Minuten-Aufwand unter "kleine Unannehmlichkeit".
Damit die Tasten das senden, was nun auf ihnen drauf steht, muss die Firmware angepasst werden. Die Voarbeit dafür geht entweder per Online-Editor (Account notwendig) oder über ZMK. Ich entschied mich für den Online-Editor, wodurch ich mein Layout hier mit euch teilen kann. Nachdem die Anordnung konzipiert ist, muss sie nur noch als neue Firmware auf die Tastatur übertragen werden.
Tenting
Hier lernte ich, dass ein tieferer Blick in die extensive Glove80-Dokumentation nicht schaden kann.
Das tat ich nämlich beim Thema Neigungswinkel nicht. Stattdessen drehte ich einfach die Schrauben mit den gummierten Standfüßen bis zur für mich passenden Position aus. Und wunderte mich dann, dass die Tastatur nach kurzer Zeit zu wackeln begann, da sich die Füße teilweise zurück drehten. Einige Wochen lang hielt ich das für einen miserablen Design-Fehler. Um Wackeln zu vermeiden nutzte ich die Tastatur nur in komplett eingefahrener Position. Als mir dann zufällig die Tüte mit den M4 Schraubenmuttern in die Hand fiel, merkte ich: der Fehler sitzt vor der Tastatur. Wie hier beschrieben sind die Muttern nämlich dafür gedacht, die Standfüße zu fixieren, damit sie beim Tippen in ihrer Position verharren. Schließlich konnte ich die Tastatur dann doch noch präzise Tilten. Wobei die Ausgangsposition auch nicht verkehrt ist.
RGB
Fällt für mich in die Kategorie "haben ist besser als brauchen". Der Sinn hinter dieser speziellen Tastatur liegt ja u.a. darin, nach kurzer Zeit blind tippen zu können. Dann braucht es keine Tastaturbeleuchtung. Die RGB-Effekte sind ganz nett anzusehen und ich mache sie gerne an, wenn mal Kinder das Büro besuchen. Aber an sich ist es unnötige Spielerei.
Bluetooth-Verbindung
Ich nutze die Tastatur via Bluetooth an 2 Notebooks. Beide haben Ubuntu als Betriebssystem und das Pairing verlief reibungslos. Über die Bluetooth-Profile lässt sich der aktive Host mit einem Tastenkürzel ändern. Er wechselt nicht automatisch.
Ich hatte 2x das Problem, dass sich die Tastatur nicht verbunden hat und 1x war eine Verzögerung der Eingabe spürbar. Die Ursachen habe ich nicht ergründet und sie müssen nicht unbedingt bei der Tastatur liegen. Beides ließ sich durch Neustart des Notebooks beheben. Es gibt sicher elegantere Lösungsmethoden. Ansonsten ist die Verbindung und Bedienung immer reibungslos. Für Puristen ist alternativ die kabelgebunde Verbindung möglich.
Batterie
Jede Hälfte der Tastatur hat einen Einschaltknopf. Während der 100 Tage verblieben beide Hälften permanent eingeschaltet. Ich musste sie jeweils zwei Mal aufladen. Ich habe sowieso ein Aufladekabel in Reichweite und die Tastatur funktioniert auch während des Ladens. Wie lang die Batterie hält ist für mich daher nebensächlich. Ein winziges Problem könnte es geben, wenn gleichzeitig beide Hälften geladen werden müssen. Kam bisher nicht vor und kann durch Voraussicht vermieden werden.
Hilfreich: ein kurzes Tippen auf den Magic-Key zeigt den Batteriestand an. Die zwei grün leuchtenden Reihen signalisieren eine volle Ladung auf beiden Seiten: 20% pro leuchtender Taste.
Umstellung
Sobald ich einsah, dass ich mit der Logitech Tastatur nicht alt werden werde, fing ich an bei monkeytype meine Tippfähigkeiten zu testen. Die Umstellung auf Glove80 würde mein Tippverhalten erstmal aus der Bahn werfen. Trotz des größtenteils deutschen Layouts sind einige Kerntasten anders verortet. Durch die physisch getrennten Tastaturhälften werden liebgewonnene einhändige Eingabemuster unmöglich. Das Ausmaß der Umstellung wollte ich quantifizieren. Und auch herausfinden, ob und wie schnell die ursprüngliche Tippeffizienz wieder hergestellt werden kann.
Die linke Hälfte des Graphen zeigt Tests mit der Logitech, die rechte Hälfte mit der Glove80. Die interessante Ausprägung ist die blass-orangene Linie. Sie zeigt den Durchschnitt der Worte pro Minute. Jeder Punkt ist ein einzelner Test im Laufe der Zeit. Kannst du den Tag der Umstellung erkennen?
Mit der Logitech kam ich auf durchschnittlich 74 Wörter pro Minute. Der Rekord lag bei 88,62.
Mit der frisch aufgebauten Glove80 dann die Ernüchterung: lediglich 14,78 Wörter pro Minute beim ersten Durchlauf. Dass es weniger werden würde, war mir klar. Aber das war vernichtend.
In der ersten Woche musste ich bei der Eingabe permanent auf die Tastatur schauen, um die richtigen Zeichen zu finden. Nach 100 Tagen stieg der Durchschnitt auf 52 Wörter, immer noch 22 Wörter weniger als mit der vorherigen Tastatur. Dennoch fühle ich mich inzwischen gut eingewöhnt. Lediglich mit dem Cluster rechts unten (ä, ö, ü, - und +) werde ich noch nicht ganz warm, da ich früher den rechten kleinen Finger fast nicht nutzte.
Die Genauigkeit der Eingaben ist gleichauf. Nach 100 Tagen mache ich mit der Glove80 also nicht mehr Fehler, aber schreibe knapp 30% weniger Worte in der gleichen Zeit.
Kleinere Kritik
- Das Material macht keinen super wertigen Eindruck. Es spielt klar in einer höheren Liga als billigster Plastikschrott, aber klappert und biegt sich an manchen Stellen, fühlt sich nicht robust an. Das fällt allerdings im täglichen Betrieb nicht ins Gewicht.
- Obwohl die Tastatur extra darauf ausgelegt ist, dass sich die Hände möglichst nicht von der Stelle bewegen müssen, ist das für mich zum Erreichen der äußersten Tasten doch notwendig. Ist weniger dramatisch, da dort die weniger stark frequentierten Zeichen/Funktionen liegen.